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Der Klimawandel ist zweifelsohne die aktuell größte globale Herausforderung für die Welt. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein. Dazu muss die gesamte Wirtschaft transformiert werden. Ein wichtiger Teil davon ist die Luftfahrtbranche. Doch wie will man dieses schwierige Vorhaben umsetzen und ist es überhaupt möglich, einmal klimaneutral zu fliegen? Über Herausforderungen, Lösungsansätze und die Rolle der Politik dabei sprach der Politikleistungskurs der Q34 (Hr. Etmanski) per Videokonferenz mit der Vizepräsidentin Forschung und Entwicklung von Airbus, Nicole Dreyer-Langlet.

Dreyer-Langlet machte direkt zu Beginn deutlich, dass Airbus sich das Ziel gesetzt habe, bis ins Jahr 2035 CO2-neutral zu sein. Dabei betonte sie die Wichtigkeit des Fliegens in der Gegenwart und in der Zukunft: „Es ist klar, dass es keine andere Technologie gibt, die auf diese Art und Weise Märkte und Menschen miteinander verbindet.“ Insbesondere aufgrund der Globalisierung sei in Zukunft mit einer starken Zunahme der Flugzahlen zu rechnen. Ein Grund dafür sei auch, dass es neue Märkte in Asien und Afrika gebe. „Die Frage ist nicht, ob geflogen wird, sondern wie geflogen wird“, verdeutlichte sie den Stellenwert der Fliegerei auch in der Zukunft. Darüber, dass der weltweite Flugverkehr ca. 3,5 % der CO2-Emissionen ausmache, sei man sich bei Airbus sehr bewusst. Deshalb präsentierte die Vizepräsidentin für Forschung und Entwicklung auch firmeneigene Lösungsansätze. Airbus habe das Ziel, einen „Zero-Emission-Flieger“ zu entwickeln. Dieser basiere auf der Schlüsseltechnologie Wasserstoff, die das Flugzeug nicht nur CO2-neutral mache, sondern zugleich auch eine optimierte Aerodynamik und eine verminderte Lärmbelastung biete. „Andere Alternativen wie Methan sind im Gesamtkonstrukt einfach zu schwer“, erklärte sie, fügte aber an, „dass wir auch an anderen Antriebsarten arbeiten.“ Aber auch die Probleme von Wasserstoff sprach Dreyer-Langlet an. Diese seien vor allen Dingen die hohen Kosten. Auf eine Zwischenfrage, ob es bei Wasserstoff nicht auch Sicherheitsbedenken bezüglich der Brennbarkeit gebe, verwies Dreyer-Langlet darauf, dass der Unterschied bei der Brennbarkeit zwischen herkömmlichem Kerosin und dem neuen Wasserstoff nicht groß sei. „Der Sicherheitsaspekt steht für uns natürlich an oberster Stelle“, beruhigte sie.

Dreyer-Langlet verwies zudem darauf, dass Airbus bereits in der Gegenwart viel für das Thema Nachhaltigkeit unternehme. „Leider wird das in der Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen“, zeigte sie sich hier enttäuscht. Bereits jetzt besitzt das Unternehmen mit der neuen „Neo“-Flotte einen Flugzeugtyp, der bis zu 20 % effizienter ist. Darüber hinaus gibt es auch noch den sogenannten „Sustainable Aviation Fuel“ (SAF), „ein wichtiger Baustein für die Übergangsphase zwischen Kerosin und Wasserstoff“, wie sie erklärt. Dabei handelt es sich um eine Kraftstoffart, die bis zu 85 % der CO2-Emissionen reduzieren kann. Da Forschung und Entwicklung bei Airbus einen hohen Stellenwert besitzen, arbeitet das Unternehmen parallel an verschiedenen Flugzeugprojekten. Welches davon endgültig finalisiert werden soll, will man im Jahr 2025 entscheiden. „Wir müssen wissen, wie die verschiedenen Technologiebausteine miteinander interagieren“, begründete sie die Entscheidung ihres Unternehmens. Ein Problem sei derzeit noch die bisher schlecht ausgebaute Infrastruktur an den Flughäfen. Um überall in der Welt problemlos Wasserstoff tanken zu können, sei ein massiver Ausbau notwendig. „Wir kümmern uns um die Technologie und die Politik um die Infrastruktur“, nahm sie die Bundesregierung in die Pflicht. „Darüber haben wir auch schon mit dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gesprochen.“ Dreyer-Langlet zeigte sich hinsichtlich der Umsetzbarkeit aber euphorisch, da die Politik dem Unternehmen hier ihre Unterstützung zugesichert habe.

Außerhalb der technischen Projekte thematisierte Dreyer-Langlet auch andere Bereiche. Zum Beispiel machte sie auf die schwierige Situation von Frauen in männerdominierten Wirtschaftsbranchen zu Beginn ihrer Karriere aufmerksam. „Anfangs habe ich mir die Frage gestellt, wie ich mich als eine der wenigen Frauen unter so vielen Männern behaupten kann“, gab sie zu. Erfreulicherweise habe sich dies bis heute deutlich gebessert. Angesprochen auf den Aktienabsturz zu Beginn der Coronapandemie lobte sie die Geschäftsführung, die die Krise eindrucksvoll gemeistert hätte, wenngleich sie einschränkt, dass die Pandemie die Luftfahrtbranche „natürlich sehr hart getroffen“ habe. Durch Marktanalysen und detailgetreue Prognosen durch Experten habe Airbus relativ gut planen und wirtschaften können.

Dreyer-Langlet betonte darüber hinaus auch die Wichtigkeit von Innovationen – auch wenn es hierbei nie eine Garantie für Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit gebe. Die Coronapandemie habe aber besonders hier seine Spuren hinterlassen: „Ich kann natürlich nicht von der Hand weisen, dass es uns in diesem Jahr schwerer als sonst fällt, Geld in Zukunftsprojekte zu investieren“, machte Dreyer-Langlet deutlich. Einfach aussetzen könne man diese Projekte aber nicht, da die Zeit aufgrund des vorschreitenden Klimawandels knapp sei. „Außerdem gibt es ja auch Wettbewerber“, fügte sie an. Dreyer-Langlet hob in diesem Zusammenhang auch die Wichtigkeit staatlicher Unterstützung in Form von Subventionen hervor, ohne die viele Forschungsprojekte nicht durchzuführen seien. Hierbei müsse aber immer die Sinnhaftigkeit der Subventionen evaluiert werden, schließlich gehe es auch um Steuergeld. Zudem dürfe der staatliche Einfluss nicht zu groß werden, dies könne die Innovationskraft auch hemmen.

Auf die Frage nach Konkurrenz, u. a. durch Boeing, entgegnete sie, dass diese zwar „größer denn je“ sei, Konkurrenz aber auch einen wichtigen Anreiz für die Innovationsfreudigkeit der Unternehmen biete. Gegenüber Boeing sei man einen Schritt voraus, da man den Nutzen von Wasserstoff deutlich früher erkannt habe. „Wir sehen aber zu, dass wir immer vorsichtig sind und konkurrenzfähig bleiben“, machte sie deutlich.

Das Verhältnis zwischen Airbus und der Politik habe sich in den vergangenen Jahren deutlich gebessert. „Vor ein paar Jahren haben wir noch alle gegeneinander gekämpft“, monierte sie, fügte aber umgehend an: „Jetzt aktuell erkennen wir alle sektorübergreifend, was wir brauchen, um gemeinsam erfolgreich zu sein.“

Eine weitere große Herausforderung sei zudem, dass infrastrukturell transnational zusammengearbeitet werden müsse, um die Transformation im Luftverkehr zu meistern. „Es braucht Länder und Unternehmen, die den ersten Schritt machen müssen“, charakterisierte Dreyer-Langlet das Problem. Dann hätten andere Staaten nicht mehr die Hemmung, aufgrund des Risikos die nötigen Investitionen zu unterlassen. Dabei nahm sie die reichen Industriestaaten in die Verantwortung und machte unmissverständlich deutlich: „Jetzt muss es einfach mal echt losgehen, so langsam läuft uns die Zeit davon.“

Abschließend richtete Nicole Dreyer-Langlet noch einen Appell an die angehenden Abiturienten. Sie wünsche sich wieder mehr Schülerinnen und Schüler, die nach dem Abitur Ingenieurwesen studieren, um mit ihrer kritischen und zukunftsorientierten Art Airbus bei der Ausgestaltung der Zukunft zu unterstützen.

Dreyer-Langlet machte sehr deutlich, wo die Probleme in der Luftbranche mit Blick auf die Zukunft liegen, präsentierte aber zugleich auch einige vielversprechende Lösungsansätze. Dass Airbus alles dafür tut, um seinen Teil dazu beizutragen, den Klimawandel zu bekämpfen, wurde sehr deutlich. Und eine Sache betont Frau Dreyer-Langlet dabei mehrmals: „Es wird Zeit.“

Ben Harmsen