Manuel Evers und Hedwig Warnek vom TPZ in Lingen

"Wenn ich um diese Uhrzeit einen Vortrag über Interkulturelles gehört hätte, wäre ich eingeschlafen", betont Aileen in der Reflexion des Workshops. 90 Minuten übernahmen die Theaterpädagogen des TPZ, Manuel Evers und Hedwig Warnek, den Unterricht des Seminarfachs und müde wurden die 18 Schülerinnen und Schüler nicht, sondern von Übung zu Übung wacher und aufmerksamer. Geschickt hatten die beiden Theaterleute ihre Botschaft, Vorurteile als Vorannahmen durchaus anzunehmen, aber auch zu hinterfragen, in verschiedene Übungen und Spiele verpackt.

Noch harmlos war das Aufwärmspiel mit dem bekannten Raumlauf und der witzigen Verdrehung der Kommandos go, stop, jump and clap. Immer mehr Farbe bekennen mussten die Jugendlichen dann bei der Aufgabe, sich zwischen den Wänden der alten Cafeteria zu positionieren. Während die eine Wand Zustimmung bedeutete, stand die  gegenüberliegende für Ablehnung. Je nach Meinung stellten sich die Jugendlichen eher in Richtung der einen oder der andern Wand. Fragen wie Bist du müde? oder Bist du rechtzeitig aufgestanden? waren leicht zu beantworten und auch Nachfragen der Theaterpädagogen bereiteten keine Probleme. "Ich bin müde, weil ich noch einen Film geschaut habe", gab eine Schülerin zu und ein Mitschüler war früh aufgestanden, weil er auf die Geschichtsnote gespannt war. Schwierig wurde die Positionierung bei den folgenden Fragen: Bin ich christlich? Bin ich männlich? Bin ich ängstlich? Bin ich deutsch?  "Über einige Fragen habe ich noch nie nachgedacht", kommentierte Charlotte in der Reflexion diese Aufgabe, aber schon während der Übung wurde deutlich, dass die Antworten auf diese Fragen identitätsstiftend sind und dass z.B. Angst mit Erfahrung zu tun hat.

Dass Erfahrungen zu handfesten Vorurteilen führen können, klärte die folgende Übung. Hier mussten Fotografien von Männern und Frauen Identitäten gegeben werden: Name, Alter, Herkunft, Beruf, Hobbies. Ganz sicher war sich die erste Gruppe, dass es sich bei der korpulenten Frau mit freundlichem Lächeln um eine polnische Hausfrau und Kassiererin handelt, und alle waren überrascht zu hören, dass das Foto eine bekannte finnische Fotokünstlerin zeigte. Das Foto eines flüchtigen Islamisten wurde fälschlich als singender und handwerkender Arzt identifiziert. So lagen die Teilnehmer mit ihren Einschätzungen manchmal komplett daneben, dann wieder war ihre Vorannahme durchaus nah an der wahren Identität.

Auch die letzte Aufgabe machte deutlich, wie oft wir Vorurteilen aufsitzen und beschwören können, etwas gesehen oder gehört zu haben, was sich aber als Unsinn herausstellt. Hedwig Warnek las dafür der ersten Freiwilligen eine Geschichte vom Einkauf im Supermarkt vor. Die Schülerin musste das Gehörte einer Mitschülerin erzählen und diese dann dem dritten Schüler, bis der letzte Schüler die Geschichte wiederholen konnte. Von der Geschichte mit vielen Menschen und Einkäufen blieben nur der Supermarkt und das belegte Brötchen übrig. Die Veränderung der Story von Erzähler zu Erzähler war sehr komisch und machte klar, wie eigensinnig Menschen behaupten können, dass der größte Blödsinn wahr ist.

 

Vermittelt hatte den Workshop Jessica Focke, die zurzeit eine Ausbildung beim TPZ als Lehrerin für Darstellendes Spiel macht. Das Seminarfach "Flucht und Migration in Pop, Literatur und Film" hatte damit einen ernsthaft-witzigen Abschluss des ersten Halbjahrs.

Am Vormittag haben Evers und Warnek den Workshop mit der 8 A, der Deutschklasse von Jessica Focke, durchgeführt. Ebenfalls mit viel Spaß und einigem Stoff zum Nachdenken.