Zum 100-jährigen Jubiläum unserer Schule wollte das Seminarfach „Mit Experimenten die Natur verstehen“ der Jahrgangsstufe 13 etwas Außergewöhnliches wagen: den Start eines selbstgebauten Stratosphärenballons. Unser Ziel war es, die Eigenschaften der Lufthülle der Erde zu vermessen und naturwissenschaftliche Experimente in bis zu 38 Kilometern Höhe durchzuführen – also dort, wo die Ozonschicht beginnt und die Luft so dünn ist, dass sie fast an den Weltraum erinnert.

In fünf Teams arbeiteten 16 Schülerinnen und Schüler fast zwei Monate lang an diesem Projekt. Jedes Team hatte eine eigene Aufgabe: Sensorik und Programmierung, Bau der Sonde, Planung und Durchführung der Experimente, Öffentlichkeitsarbeit sowie Organisation des Starts und der Bergung. Durch das Werben großzügiger Sponsoren wurde die Finanzierung des mehrere tausend Euro teuren Vorhabens sichergestellt. Diese klare Aufgabenteilung machte das Projekt zu einem echten Gemeinschaftswerk – ähnlich wie in einem Unternehmen. Alle Gruppen mussten Hand in Hand arbeiten, damit der Start am Ende gelingen konnte. So lernten die Schülerinnen und Schüler nicht nur naturwissenschaftliches Denken und Forschen, sondern auch Projektmanagement, Kommunikation und Verantwortungsübernahme.

Nach intensiver Vorbereitung war es am 29. September 2025 so weit: Auf dem Sportplatz „Frentjens Kuhle“ zählten das Team und die anwesende Schulgemeinschaft gemeinsam den Countdown herunter – und der Ballon stieg langsam, dann immer schneller in den Himmel. Schon nach wenigen Minuten war er nur noch ein winziger Punkt, der schließlich ganz verschwand. Mithilfe eines GPS-Trackers konnten wir seine Route live verfolgen. Nach rund drei Stunden platzte der Ballon in etwa 37.600 Metern Höhe und landete, fast wie berechnet, in der Nähe von Paderborn – rund 200 Kilometer vom Startpunkt entfernt.

Das Bergungsteam feierte den erfolgreichen Start zunächst mit einem kurzen Zwischenstopp bei McDonald’s, bevor es sich auf den Weg zur Landestelle machte. Der Ballon war auf einem frisch gepflügten Acker niedergegangen. Der freundliche Landwirt hatte die Sonde schon entdeckt und uns bereitwillig Zugang gewährt. Die Sonde selbst hatte den Aufprall nahezu unbeschadet überstanden – nur ein Ausleger war gebrochen, und der zerfetzte Ballon lag daneben. Alle Kameras funktionierten, und die spektakulären Aufnahmen aus der Stratosphäre – mit der sichtbaren Erdkrümmung und dem tiefschwarzen Himmel – sorgten für große Begeisterung.

Weniger gut lief es bei einigen Datenloggern: Einer hatte 20 Minuten nach dem Start den Geist aufgegeben, ein anderer zeichnete nur die GPS-Daten auf. Trotzdem konnten wir damit die Flugroute, Steig- und Sinkgeschwindigkeiten auswerten und wichtige Erkenntnisse gewinnen.

Auch die Experimente lieferten spannende Ergebnisse:

  • Ozon-Nachweis: Das Reagenzglas mit Stärke- und Kaliumiodidlösung war zwar zerbrochen, doch der blaugefärbte Rückstand auf dem Acker zeigte deutlich, dass Ozon in der Stratosphäre vorhanden war – ein erfolgreicher Nachweis.
  • Diethylether-Versuch: Eine Kamera filmte das Sieden von Diethylether. Trotz der extrem niedrigen Temperaturen von bis zu -60 °C setzte das Sieden ein – verursacht durch den drastisch sinkenden Luftdruck.
  • Schaumkuss-Versuch: Schließlich demonstrierte ein Schokokuss anschaulich das physikalische Prinzip der Volumenausdehnung von Gasen bei abnehmendem Druck – ein echter Publikumsliebling, der beim Start mit auf Reisen ging.

Am Ende des Tages waren alle erschöpft, aber glücklich. Gegen 23.00 Uhr kehrte das Team nach Nordhorn zurück – mit Bildmaterial unseres Planeten von oben und vielen neuen Erkenntnissen.

Der Stratosphärenflug war weit mehr als nur ein wissenschaftliches Experiment: Es war eine Erfahrung, die zeigte, wie mit Teamarbeit, Verantwortungsübernahme und Ausdauer gemeinsam etwas Großes erreicht werden kann – genau wie in einem echten Forschungsbetrieb. Für uns alle war dieses Projekt ein unvergessliches Erlebnis – ein Blick über den Tellerrand, hinaus in die Stratosphäre und in die Zukunft naturwissenschaftlicher Bildung am Gymnasium Nordhorn.

Seminarfach „Mit Experimenten die Natur verstehen“ (Q3), unter Leitung von Christoph Prins

 

 

Was hat im Projekt besonders gut funktioniert?

Die Zusammenarbeit innerhalb der Teams und über Teamgrenzen hinweg wurde als sehr positiv wahrgenommen. Trotz des hohen Anspruchs gelang es den Gruppen, sich gegenseitig zu unterstützen und notwendige Absprachen zu treffen. Der Zusammenhalt wuchs spürbar, und viele empfanden die kooperative Arbeitsweise als bereichernd und motivierend. Die regelmäßige Anwesenheit vieler Teammitglieder trug zusätzlich dazu bei, dass Arbeitsschritte effizient bewältigt werden konnten.

 

Herausforderungen während der Projektdurchführung

Trotz des insgesamt positiven Verlaufs traten natürlich verschiedene Schwierigkeiten auf, die vor allem durch die Komplexität des Projekts bedingt waren. In mehreren Rückmeldungen wurde die teamübergreifende Koordination als Herausforderung beschrieben – etwa beim Einbau des Displays, bei Gewichtsvorgaben oder bei der Abhängigkeit einzelner Gruppen voneinander. Auch zeitliche Engpässe entstanden, wenn Teams auf Vorarbeiten anderer angewiesen waren. Ein wiederkehrender Punkt war der hohe Zeitaufwand. Auch organisatorische Themen wie vergessene Zuständigkeiten oder unklare Absprachen in einzelnen Gruppen führten gelegentlich zu Verzögerungen. Die starke Abhängigkeit von anderen Gruppen führte zu Phasen des Wartens oder zu erhöhtem Stress gegen Projektende.

 

Was haben die Schüler gelernt?

Trotz aller Herausforderungen wurde deutlich, wie viel die Gruppe aus dem Projekt mitnimmt. Besonders betont wurde die Bedeutung gründlicher Vorarbeit, strukturierter Planung und präziser Absprachen. Viele Teilnehmende gaben an, dass ihre Teamfähigkeit, ihre Organisationskompetenz und ihr Umgang mit Stresssituationen erheblich gewachsen seien. Darüber hinaus wurde ein tieferes Verständnis dafür entwickelt, wie viele Ressourcen, Entscheidungen und Fehlerkorrekturen nötig sind, damit ein komplexes technisches Projekt erfolgreich funktioniert, also Einblicke in die Berufswelt, die nur durch solche Großprojekte ermöglicht werden können.

 

Was am meisten Freude bereitete

Der Höhepunkt war der gemeinsame Starttag, der von vielen als emotionaler Moment beschrieben wurde. Der sichtbare Erfolg – ein funktionierender Flug bis in die Stratosphäre – machte den Aufwand für die meisten absolut lohnenswert. Auch die enge Zusammenarbeit mit Freundinnen und Freunden sowie das Erfolgserlebnis, als Gruppe eine anspruchsvolle technische Aufgabe zu meistern, wurde von den Schülern als positiv hervorgehoben. Einige Teilnehmende beschrieben den Blick auf die eigenen Aufnahmen aus großer Höhe sogar als „atemberaubend“.

 

Fazit

Das Stratosphärenballonprojekt war für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler eine intensive, anspruchsvolle und zugleich hoch motivierende Erfahrung. Die Kombination aus technischer Komplexität, echter Teamarbeit, praktischen Herausforderungen und einem beeindruckenden Abschlussereignis führte dazu, dass viele lebensrelevante Soft-Skills nachhaltig gefördert wurden, für die im Schulalltag, der gerade in der Oberstufe viel zu häufig durch Stoffpauken statt lebenspraktischer Kompetenzentwicklung geprägt ist, aus lehrplantechnischem Zeitmangel, selten Platz geboten werden kann. Der erfolgreiche Flug der Sonde bis in die Stratosphäre steht stellvertretend für die Möglichkeiten, in der Schule weit mehr als Auswendiglernen zu lernen, wenn den Lehrkräften zur freien Gestaltung des Unterrichts, wie z. B. im Seminarfach, genug Raum geboten wird.

Christoph Prins