Schwanger und sie weiß nicht, von wem. Dieses Problem beschäftigte die Marquise von O. in Kleists Novelle von 1805. Aber sie hält nicht still, sondern wendet sich mutig an die Öffentlichkeit, um zu erfahren, wer sie geschwängert hat.

Diesen Pflichttext für das Abitur 2026 wollte der DS-Kurs der Jahrgangsstufe 12 auf die Bühne bringen. „Aber modern“, war der energisch vorgetragene Wunsch. Mit Improvisationsübungen und Standbildern entwickelten die zwölf Mädchen verschiedene Rollen und Konflikte. Die Marquise wurde zur Schülerin Giulietta (Eloisa Back), die ihre Eltern anschwindelt, wenn sie mit ihren Freundinnen ausgehen will. Die Familie von O. bleibt konservativ und engstirnig, nur die Mutter (Lynn Böttick) zeigt Mitleid mit der schwangeren Tochter, kann sich aber gegen den hartherzigen Vater (Merrit Pasternak) und den in seiner Ehre verletzten Bruder (Hilal Altunirmak) nicht durchsetzen. Der Graf (Greta Bangen) vergewaltigt Giulietta im Club, ist aber kein Soldat mehr, sondern ein prolliger Neureicher, der mit Dropshipping ein Vermögen gemacht hat und ansonsten mit seinen Kumpels (Virgina Kisner, Annelie Bensel und Stefania Bukmaier) in der Shishabar abhängt. Er will Giulietta heiraten. „Geiler Arsch und gut kochen – das ist’n Jackpot“, lautet sein Fazit. Giuliettas Vater ist sofort einverstanden. Auch wenn er von Dropshipping noch nie etwas gehört hat, überzeugt ihn ein Blick auf den Kontostand des Grafen. Und Giulietta? Sie ist „back“, verkündet sie ihren Followern mit einem neuen Reel. „Ich bin verlobt und ihr nicht“, ist die Nachricht an alle, die sie kurz vorher noch mit Hatespeech gequält haben. Die scheinheiligen Freundinnen (Alina Tüchter und Lynn Böttick) sind sofort dabei, bewundern den Verlobungsring und nur eine Freundin (Leonie Teichert) bleibt skeptisch: „Willst du ihn wirklich heiraten?“ Ja, das weiß Giulietta auch nicht. Liebe ist es nicht, die sie zu dem Vater ihres ungeborenen Kindes hinzieht, und dass er sie vergewaltigt hat, klammert sie auch besser aus. „Was soll ich denn machen?“, lautet ihre unbeantwortete Frage.

Die Inszenierung der Mädchen war trotz aller Tragik witzig. Sie präsentierten Giuliettas Schicksal mit viel Musik und in eindrucksvollen Bildern.

Der Kurs der zwölf Mädchen aus der Q12 hat mit „WTF, Giulietta!“ bereits zum dritten Mal im Halbjahr auf der Bühne gestanden. Ganz ohne Bühnenerfahrung starteten sie auf dem Neujahrsempfang mit einer Interpretation von „Karawane“ von Hugo Ball. Trotz ihrer hohen Nervosität meisterten sie ihren ersten Auftritt vor 600 Zuschauern. Schon entspannter waren sie bei ihrer Tanzperformance im Rahmen des Erasmusprojekts mit Island. „WTF, Giulietta“ brachte als letzte Aufführung die Nervosität zurück. „Es ist doch ´was Anderes, vor den eigenen Leuten aufzutreten“, begründeten die DS-Schülerinnen ihr neues Lampenfieber. Aber der Applaus belohnte ihr Engagement, das von ihnen einige Extrastunden in den Ferien und an Wochenenden verlangt hatte.

Kirsten Rigterink